Vor dem Bundesgerichtshof wird am 20. September 2023 wieder einmal über die Wirksamkeit der im März 2018 erneut geänderten Startgutschriftenregelung für rentenferne Versicherte der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) verhandelt.
Die VBL hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitrags-orientiertes Betriebsrentensystem um.
Die neu gefasste Satzung enthielt – auf der Grundlage entsprechender tarifvertraglicher Vereinbarungen – fehlerhafte Übergangsregelungen zur Berechnung von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese wurden als sog. Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei wurden Versicherte, deren
Versorgungsfall zum Umstellungsstichtag noch nicht eingetreten war, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Grundsätzlich galt als rentenfern, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Das betraf zum Umstel-lungsstichtag ca. 1,7 Mio. Versicherte.
Rentenfernen Versicherten wurden als Startgutschrift zunächst – vereinfacht dargestellt – für jedes Jahr ihrer Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes 2,25 % (sog. Anteilssatz) einer fiktiven, maximal bei der VBL erzielbaren Versorgungsrente gutgeschrieben. Diese Übergangsregelung erklärte der IV. Zivilsenat des Bundes-gerichtshofs mit Urteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06) wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich und beanstandete insbesondere eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit langen Ausbildungszeiten. Daraufhin ergänzten die Tarifvertragsparteien und ihnen folgend die VBL die Startgutschriftenregelung um eine Vergleichsberechnung, die unter näher geregelten Voraussetzungen zu einer Erhöhung der bisherigen Startgutschriften rentenferner Versicherte führen konnte. Mit Urteil vom 9. März 2016 (IV ZR 9/15) entschied der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass die solcherart geänderte Übergangsregelung weiterhin zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleich-behandlung führe und deshalb ebenfalls unverbindlich sei.
Mit Änderungstarifvertrag von Juni 2017 einigten sich die Tarifvertragsparteien darauf, im Rahmen der Ermittlung der Startgutschrift den bisherigen Anteilssatz von 2,25 Prozentpunkten durch einen variablen Anteilssatz zu ersetzen. Dieser beträgt, in Abhängigkeit von den Pflichtversicherungszeiten, die der jeweilige Versicherte bis zum Eintritt des 65. Lebensjahrs erreichen kann, zwischen 2,25 und 2,5 Prozentpunkten. Die VBL übernahm diese Neuregelung im März 2018 in § 79 Abs. 1 Satz 3 bis 8 ihrer Satzung.
Die Wirksamkeit dieser nochmals geänderten Übergangsregelung ist weiterhin umstritten und Gegenstand zahlreicher gegen die VBL erhobener Klagen.
Die Klägerin im vorliegenden Fall ist eine rentenferne Versicherte bei der beklagten VBL und bezieht von dieser seit August 2014 eine Versorgungsrente. Sie hält auch die nochmals geänderte Übergangsregelung für unwirksam und erstrebt eine nach dem vor der Systemumstellung geltenden Satzungsrecht ermittelte Rente, hilfsweise eine abweichende Berechnung ihrer Startgutschrift unter Berücksichtigung verschiedener ihr günstiger Berechnungsgrundlagen und äußerst hilfsweise die Feststellung der Unverbindlichkeit der ermittelten Startgutschrift. Ihre Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die nunmehrige Übergangsregelung für wirksam gehalten und insbesondere einen Verstoß der Startgutschriftenregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie eine Diskriminierung rentenferner Versicherter wegen ihres Lebensalters und ihres Geschlechts verneint.
Unser Verein setzt sich entschieden für die Rechte auch der sog. rentenfernen Versicherten des öffentlichen Dienstes ein. Wir sehen auch seitens der Tarifparteien (sowie auch von anderer Seite) ein erhebliches Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den berechtigten Interessen dieser Menschen. Hiervon legt deren mehrjährige, hartnäckige Weigerung, das Faire und sozial Gerechte zu tun, beredtes Zeugnis ab.
Verein zur Sicherung der Zusatzversorgungsrente VSZ e. V.
– Geschäftsstelle Göttingen RA Mathies –
Keplerstr. 5
37085 Göttingen
Tel. 0551/37060007
V.i.S.d.P.: Dr. C.N. Carlson, Nobelring 28, 30627 Hannover